- Jutta Widrinsky
- Blogbeitrag
Disruption am Beispiel der Reisebranche
Wenn von Disruption die Rede ist, zieht man oft Beispiele der Vergangenheit heran: Kodak, Nokia, analoge Fotografie. Dabei passiert sie gerade auch jetzt. Heute. Hier. Vielleicht sogar in Ihrer Branche.
Kürzlich hatte ich einen Friseurtermin. Ich war zu früh dort, der Laden war noch geschlossen und so habe ich mir die wenigen Minuten vor der Auslage des Reisebüros vertrieben. Das war eine gute Entscheidung, denn dort hing auf einem Zettel ein unschlagbar verführerisches Angebot. Tolles Ziel und sehr toller Preis. Sogar in den Herbstferien!
Der Friseur öffnete und zwischen Farbsträhnchen und Waschbecken googelte ich nach dem Reiseangebot. Ich fand es sofort und nach wenigen Klicks wusste ich, dass der Flug nur noch ab München verfügbar war. Sehr schade. „Ein Haken musste ja sein“ dachte ich mir, würde ich doch viel lieber ab Frankfurt fliegen.
Zwei Stunden später saß ich mit neuer Frisur im Reisebüro. Vielleicht kann die Dame dort ja noch einen Joker ziehen und mir einen näher gelegenen Flughafen ausfindig machen, hoffte ich. Immerhin ist sie ja vom Fach und vielleicht hat sie mehr Möglichkeiten als ich als surfender Direktbucher.
Leider nein.
Wenn privat buchen schneller geht
Mit echtem Erstaunen bemerkte ich, dass sie ewig lange in ihrem Buchungssystem suchen und viele Eingaben machen musste. Zwischenzeitlich entschuldigte sie sich, dass das so aufwendig sei, aber gleich, nur noch wenige Eingabemasken später, würde sie das Ergebnis finden. Nämlich dass der Flieger nur ab München startet.
Letzte Woche kam die Meldung, dass Thomas Cook insolvent ist.
Ja, das ist jetzt ein großer Bogen den ich schlage, sind doch die Gründe dafür sehr vielschichtig. Wir haben sie alle gehört: hoher Schuldenberg, heiße Sommer, die politische Lage in beliebten Reisegebieten, natürlich auch der Brexit und viele weitere.
Aber genau bei dieser Meldung musste ich an mein Erlebnis im Reisebüro denken.
Zeuge einer schleichenden Disruption
Daran, dass die Entwicklung von Buchungsportalen für Direktbucher offenbar viel schneller vorangetrieben wird als die bestehenden Buchungssysteme für die Reisebüros. Daran, dass ich nach einer Minute alle Reisedetails gefunden hatte und eine Buchung kaum länger gedauert hätte. Daran, dass die Verantwortlichen vermutlich schon spüren, dass die Weiterentwicklung der Reisebüro-Systeme nicht mehr zielführend ist, weil die Menschen nur noch selbst buchen. Online, auf perfekten Portalen.
Wir werden Zeuge einer schleichenden Disruption. Falls Sie denken, dass Ihnen das nicht passieren kann, dann frage ich Sie: Kennen Sie schon das junge Start-up, das Sie vom Markt verdrängen wird?
Schönen Urlaub!